Was ist besser: Getrennt leben oder zusammen leben?
Immer mehr Paare leben nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Tendenz steigend. Allerdings ist der Grund nicht immer freiwillig: Viele Paare führen eine sogenannte bilokale Partnerschaft, weil sie an unterschiedlichen Orten arbeiten. Gleichzeitig entscheiden sich aber auch immer mehr Paare bewusst für das Zusammenleben in zwei Wohnungen. In diesem Beitrag lernst du die Vor- und Nachteile dieses Beziehungsmodells kennen. Am Ende weisst du, ob eine LAT-Beziehung (Living Apart Together) etwas für dich ist. Oder nicht.
LAT steht für «Living Apart Together», also getrennt zusammenleben. Eine bilokale Partnerschaft besteht, wenn sie mindestens ein Jahr dauert, sich die Partner in sexueller Hinsicht als Paar verstehen und sie auch von anderen als Paar wahrgenommen werden. Die meisten LAT-Paare sind zwischen 25 und 30 oder zwischen 45 und 50 Jahre alt.
Jüngere Paare sind sich in der Regel nicht sicher, ob sie bereits den Partner gefunden haben, mit dem sie ein Leben lang zusammenbleiben möchten. Ältere Paare haben diesen Partner in der Regel schon gefunden. Doch dann hat das mit dem «ein Leben lang zusammenbleiben» nicht geklappt. Und jetzt wollen sie ihre Wohnung und ihre Freiräume nicht mehr aufgeben.
Für welche Paare eignet sich eine LAT-Beziehung?
Eine LAT-Beziehung eignet sich eher für Paare, die mehr Distanz als Nähe brauchen. Paare mit unterschiedlichen Nähe-Distanz-Bedürfnissen reiben sich in bilokalen Beziehungen auf. Hat eine Person das starke Bedürfnis nach Nähe und die andere Person ein ebenso starkes Bedürfnis nach Distanz, werden sie in einer bilokalen Beziehung nicht glücklich werden. Solche Paare haben es allerdings auch in einer gemeinsamen Wohnung nicht einfach! Neigt einer der beiden Partner zu Eifersucht, ist eine LAT-Beziehung ebenfalls nicht das richtige Beziehungsmodell.
Für eine LAT-Beziehung spricht der Umstand, dass ein Teil des Alltags wegfällt, der in vielen Beziehungen zu Streit führt. Zum Beispiel die Aufgabenteilung im gemeinsamen Haushalt. Ist man aus irgendeinem Grund genervt oder gereizt, kann man sich in einer LAT-Beziehung leichter aus dem Weg gehen. Ein Paar, das eine LAT-Beziehung lebt, erlaubt sich also gegenseitige Freiheiten. Im Gegenzug muss das Paar gemeinsame Rituale entwickeln. Sonst ist die Gefahr gross, dass es sich auseinanderlebt.
LAT-Beziehung mit Kindern?
Paare mit zwei Wohnungen sind meist kinderlos. Entweder weil sie noch keine Kinder haben – oder weil ihre Kinder bereits aus dem Haus sind. Eine LAT-Beziehung ist aber grundsätzlich auch für Paare mit Kindern möglich. Sind die Eltern getrennt, verbringen die Kinder in der Regel auch einen Teil ihres Lebens in der einen und den anderen Teil ihres Lebens in der anderen Wohnung. Zwei Wohnungen können ein Erlebnis sein und wenn die ganze Familie in einer Wohnung übernachtet, ist das bereits ein kleines Abenteuer!
«Living Apart Together» ermöglicht Paaren, sich bewusst für Zweisamkeit zu entscheiden. Also Zeit miteinander zu verbringen. Dadurch fallen viele Kompromisse und Tauschgeschäfte weg, die den Alltag von Paaren im Normalfall beeinflussen. Die als negativ empfundenen Seiten des Partners fallen nicht mehr so ins Gewicht. Dafür werden die positiven Seiten stärker wahrgenommen.
Vor- und Nachteile einer LAT-Beziehung
Bei einer LAT-Beziehung sind die Aufgaben im Haushalt meist gleich verteilt. Allein die Vorstellung, dass ihr Partner selber kocht, putzt und wäscht, fasziniert viele Frauen an diesem Beziehungsmodell. Ein Partner, der plötzlich nervt und der Streit um die Arbeitsteilung im Haushalt gehören nicht umsonst zu den häufigsten Gründen, weshalb Paare Hilfe bei einem Coach suchen. Diese Gründe fallen bei einer LAT-Beziehung nicht ganz weg. Aber nicht mehr so stark ins Gewicht.
Nachteil einer LAT-Beziehung: Die Partner müssen einen gewissen Aufwand betreiben, damit trotz Distanz und getrennten Haushaltungen ein «Wir-Gefühl» entsteht. Das können tägliche Anrufe oder Textnachrichten sein. Oder Rituale, die dem Partner zeigen, dass er an erster Stelle kommt. Belastend für eine LAT-Beziehung kann auch sein, wenn sich eine Person in der Wohnung der anderen Person, wie ein Gast vorkommt.
Welche Gründe sprechen für eine bilokale Beziehung?
Es gibt viele gute Gründe, die für eine LAT-Beziehung sprechen. Manchmal sind es persönliche Vorlieben und Hobbys, die der Partner nicht teilt. Immer häufiger entscheiden sich jedoch Paare für eine LAT-Beziehung, weil sie das Bedürfnis nach Individualität haben. Und nicht mehr länger Kompromisse eingehen wollen, die weder den einen noch den anderen Partner zufrieden stellen. Wer kocht, wer putzt, wer spült? In LAT-Beziehungen ist klar: beide!
Die gegenseitige Fürsorge und der gegenseitige Respekt können in einer LAT-Beziehung durch Eigenverantwortung gestärkt werden. Die Negativ-Spirale, die sich bei vielen Paaren unaufhörlich dreht, weil sie die positiven Seiten ihrer Beziehung durch den Alltagsstress nicht mehr wahrnehmen, kann durchbrochen werden. Dafür muss ein LAT-Paar mehr Zeit und mehr Energie in die Paardynamik investieren: Wer sich immer wieder zurückzieht, weil ihm «heute nicht nach Beziehung ist», wird sehr schnell für immer alleine zu Hause sitzen!
Fernbeziehung ganz nah
LAT-Partnerschaften sind ähnlich wie Fernbeziehungen und müssen intensiv gepflegt werden. Wer bei LAT zuerst an den Mehraufwand durch die doppelte Haushaltsführung denkt, wird mit zwei Wohnungen vermutlich nicht glücklich werden. Der Hauptgrund, der Paare dazu motiviert, eine LAT-Beziehung zu führen, sind der Wunsch nach Freiraum und Individualität. Aus diesem Grund ist dieses Beziehungsmodell auch nichts für Paare, die am liebsten alles gemeinsam unternehmen.
Bei manchen Paaren, die sich für eine LAT-Beziehung entscheiden, schwingt mit Sicherheit auch etwas Bindungsangst mit. Also die Furcht vor so viel Nähe, dass man als Individuum im «Wir» aufgeht und das «Ich» aufgibt. Die Erfahrung aus vielen Paar-Coachings hat mir gezeigt, dass für viele Paare zwei Wohnungen die einzige Möglichkeit für eine Beziehung sind, weil beide keine Kompromisse eingehen wollen oder eingehen können.
Frühzeitig mit zwei Wohnungen starten
Eine LAT-Beziehung kann nach meiner Erfahrung nur funktionieren, wenn beide Partner die Vor- und Nachteile ähnlich bewerten. Ebenfalls ganz wichtig ist das Vertrauen, dass die Freiheiten nicht ausgenutzt werden. Die meisten Paare, die eine LAT-Beziehung leben, haben sich nach dem Kennenlernen für zwei Wohnungen entschieden. Paare, die bereits zusammenleben, haben es viel schwerer, sich für eine LAT-Beziehung zu entscheiden. Äussert ein Partner den Wunsch nach zwei getrennten Wohnungen, wird das nämlich von der anderen Person häufig als Trennungsversuch bewertet.
Damit eine LAT-Beziehung funktioniert, ist ein hohes Mass an Verbindlichkeit notwendig: Das Bekenntnis, für den geliebten Menschen einzustehen und ihm Fürsorge, Liebe und Respekt entgegenzubringen, ist bei einer LAT-Beziehung genauso wichtig wie beim Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung. Doch erst die räumliche Trennung scheint vielen Partnern die Grundlage zu geben, genau das zu tun: Verschiedene Statistiken belegen, dass LAT-Paare ihren Partnern mehr Wertschätzung entgegenbringen und sich in ihren Beziehungen glücklicher fühlen, als Paare, die in einem gemeinsamen Haushalt leben.
7 Tipps für Paare mit zwei Wohnungen
- Investiert genügend Zeit in eure Beziehung, damit trotz Distanz und getrennten Haushalten jederzeit ein Wir-Gefühl besteht.
- Sorgt dafür, dass ihr euch in der Wohnung des anderen genauso zu Hause fühlt wie in eurer eigenen.
- Erkundigt euch immer wieder nach den Bedürfnissen und den Wünschen des anderen.
- Schafft Rituale, die trotz Distanz Nähe schaffen.
- Schenkt euch viele kleine Aufmerksamkeiten.
- Nehmt eure Beziehung und den geliebten Menschen niemals als selbstverständlich hin und pflegt eure Beziehung mit Anerkennung, Aufmerksamkeit, Geschenken, Lob, Zärtlichkeit und Zweisamkeit.
- Pflegt eine faire, respektvolle Streitkultur.
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Über den Autor
Dominique Raymond Rychner ist CEO und Partner bei einer international tätigen Wirtschaftsboutique sowie systemischer Transformationscoach. Er ist Vater von zwei Teenagern, glücklich geschieden und bietet Live- oder Online-Coachings, Kurse und Seminare für Männer, Frauen, Paare, Familien und Unternehmen im Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung sowie der Stärkung der Finanzintelligenz an. Er bringt über 25 Jahre Erfahrung in Beratung und Training mit. Das Credo seiner Arbeit lautet: "Lebe moneysmart und beziehungsweise – für ein Leben voller Selbstbestimmung und Freiheit."
