Versöhnung mit dem inneren Kind

Jeder Mensch hat ein «inneres Kind». Dieses innere Kind ist häufig verletzt oder gar traumatisiert. Und das nicht nur, weil es selbst traumatische Dinge erlebt hat: Es kann die Kränkungen und Verletzungen auch von seinen Ahnen «geerbt» haben. Das innere Kind zeigt sich besonders bei Konflikten – in der Partnerschaft genauso wie am Arbeitsplatz. Umso wichtiger ist es, sich mit dem eigenen inneren Kind auseinanderzusetzen und anzufreunden.

Das innere Kind ist Teil deiner Persönlichkeit. Manchmal ist es vorsichtig und angepasst, manchmal rebellisch und trotzig. Manchmal ist es verängstigt, manchmal verunsichert und manchmal schreit es nach Liebe. Hin und wieder resigniert es auch. Dann kann es sein, dass dein inneres Kind für kürzere oder längere Zeit verstummt.

Im günstigsten Fall ist dein inneres Kind verspielt, voller Lebenslust und lebt ganz im Hier und Jetzt. Im Schema-Coaching sprechen wir in diesem Fall vom «glücklichen Kind». Manchmal hat sich dein inneres Kind aber auch völlig abgespalten. Abgespalten, weil ein Ereignis oder eine Situation in deiner Vergangenheit zu überwältigend war. In diesem Fall spricht man in der Psychologie von einem Trauma. Im schamanischen Weltbild vom «Verlust eines Seelenanteils».

Traumas können vererbt werden

Nicht jeder Mensch hat selbst etwas Traumatisches erlebt: Traumatische Erlebnisse können auch von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dazu muss ein Kind nicht einmal etwas über die Ereignisse wissen: Es spürt «Etwas» und nimmt es in sich auf. Auch wenn kein Trauma im eigentlichen Sinn vorliegt: Jeder Mensch hat ein inneres Kind, das zumindest eine schwerwiegende Enttäuschung oder eine bedeutsame Kränkung erlitten hat. Manchmal als punktuelles Ereignis, manchmal über einen längeren Zeitraum. Prof. Dr. Franz Ruppert spricht in diesem Zusammenhang von einer «Trauma-Biografie».

Kommt ein Kind auf die Welt, ist es existenziell bedürftig. Bedürftig nach Geborgenheit, Liebe, Schutz, Versorgung, Zuwendung und sicherer Bindung. Das ändert sich mit dem Heranwachsen: Das Kind wird zunehmend selbständiger und damit weniger bedürftig. Dabei trifft das Kind auf Eltern, die nicht perfekt sind. Denn niemand ist perfekt. Natürlich sind die «Defizite» der Eltern höchst unterschiedlich, aber die Illusion der «perfekten» Eltern ist genau das: eine Illusion.

Das innere Kind bestimmt Konflikte

Enttäuschungen und Kränkungen in der einen oder anderen Form sind daher unvermeidbar. Im günstigsten Fall können Kinder diese Enttäuschungen und Kränkungen verarbeiten, dann handelt es sich um Wachstumsimpulse. Aber die Annahme, dass jede enttäuschte Bedürftigkeit eines Kindes produktiv als Wachstumsimpuls verarbeitet werden kann, ist unrealistisch.

Das innere Kind zeigt sich bei fast allen Konflikten zwischen Erwachsenen. Vor allem bei Paarbeziehungen. Aber auch bei Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz sieht man häufig, dass sich hier zwei verletzte innere Kinder streiten. Da bei den involvierten Personen das innere Kind aktiviert ist, können diese Konflikte selten von den Beteiligten allein gelöst werden: Hilfe von aussen ist dann ebenso notwendig wie sinnvoll.

Das innere Kind in der Familienaufstellung

In praktisch jeder Familienaufstellung wird das innere Kind angesprochen, wenn auch nicht immer ausdrücklich. Dabei gibt es zwei wesentliche Bewegungen, die gegensätzlich verlaufen. Die erste Bewegung ist das Zugehen auf die Eltern: Das Kind nimmt von den Eltern. Das Kind nimmt aber nicht nur von den Eltern: Es muss auch die Eltern annehmen. So, wie sie sind. Mit allem, das zu ihnen gehört. Warum ist das so? Die ebenso schlichte wie tiefgreifende Antwort lautet: Ohne die Eltern gäbe es das Kind nicht! Jedes Kind verdankt seinen Eltern das Leben. Und diese Tatsache ist wichtiger als alles andere..

Was bedeutet es, wenn jemand damit hadert, dass die Eltern so sind, wie sie sind? Wenn jemand denkt: «Ich habe andere Eltern verdient!» Hätte die Person, die so denkt, tatsächlich andere Eltern, wäre sie ein anderer Mensch! Und das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als: Ich lehne mein Leben ab! Oder: Ich lehne mich ab! So lässt es sich nur schwer durchs Leben gehen! Aus diesem Grund kommt es bei einer Familienaufstellung häufig vor, dass das innere Kind auf die Eltern oder auf einen Elternteil zugeht. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Leben annehmen

Fällt es der aufstellenden Person schwer, die Eltern anzunehmen, schlage ich in der Regel vor, einfache Sätze auszusprechen. Zum Beispiel: «Ich bin deine Tochter/dein Sohn.» Oder: «Du bist meine Mutter/mein Vater.» Oder auch: «Ich bin die/der Kleine, du der/die Grosse.» Diese ebenso einfachen wie versöhnenden Sätze entfalten eine unglaubliche Kraft, wenn sie wirklich in der ganzen Tiefe gespürt werden.

Hier ist das Kind wirklich Kind – und darf es gegenüber den Eltern auch bleiben. Ein anderer heilsamer Satz lautet: «Ich nehme jetzt das Leben vollständig an, genau so, wie ich es von euch erhalten habe.» Wenn sie wirklich vom inneren Kind vollzogen wird, hat diese Bewegung und das Annehmen des eigenen Lebens eine äusserst heilende Wirkung.

Hinwendung zum eigenen Leben

Ergänzt wird diese erste fundamentale Bewegung durch eine zweite, gegensätzliche Bewegung: In Familienaufstellungen geschieht das häufig in der Form, dass das Kind bei den Eltern heranwächst und grösser wird. Nach einer Weile dreht es sich um. Vielleicht lehnt es sich noch eine Weile mit dem Rücken bei den Eltern an. Dann macht es einen Schritt weg von den Eltern ins eigene Leben – aber mit der Kraft der Eltern und Ahnen im Rücken.

Wird noch ein Lösungssatz ausgesprochen wie: «Ich nehme jetzt mein Leben, so wie ich es von euch bekommen habe und mache etwas Eigenes daraus.», kann sich eine wundervolle Wirkung entfalten: Du entlässt damit die Eltern aus der Verantwortung für dein Leben und übernimmst selbst die Verantwortung für dein Leben – aber mit Achtung und Wertschätzung für die Quelle dieses Lebens.

Verantwortung für das eigene Leben

Die zweite Bewegung hat weitreichende Konsequenzen für dein inneres Kind mit seinen Enttäuschungen, Kränkungen und Verletzungen. Wenn dieser Schritt, die Ablösung von den Eltern und der Schritt in das eigene Leben, innerlich vollzogen wird, bist du für das innere Kind in dir zuständig.

Dann kannst du nicht mehr sagen: «Ja, das ist so, weil meine Mutter damals …» oder «… Weil mein Vater damals …». Dann bist du in der Verantwortung. Dann ist es deine Aufgabe, dich um dein inneres Kind zu kümmern, es in seiner Bedürftigkeit zu sehen und es «nachzunähren», wo es Defizite gab. Ihm also das zu geben, was du dir von deinen Eltern selbst gewünscht hättest.

Mein inneres Kind

Für mich ist die liebevolle, zugewandte Arbeit mit meinem inneren Kind fundamental: Je länger ich mich mit meinem inneren Kind auseinandersetze, desto mehr fasziniert mich die heilende, versöhnliche Wirkung: Ich erkenne, wenn mein inneres Kind ärgerlich, traurig, trotzig, verletzt oder gar wütend ist. In der Regel hat das jeweils einen handfesten Grund.

Dann kann ich ihm das geben, was es im Moment braucht. Manchmal ist das nur ein liebevoller Gedanke: «Ja, ich bin hier, und ich nehme dich wahr.», manchmal eine Umarmung für mich selbst, manchmal eine Auseinandersetzung mit jemand anderem, der Grenzen überschritten hat. Kurz: Ich kann meinem inneren Kind das geben, was ich mir von einem wohlwollenden Elternteil wünschen würde.

Aus diesem Grund ist die Arbeit mit dem inneren Kind in meiner systemischen Coaching-Praxis und bei meinen Familienaufstellungen nicht mehr wegzudenken. Möchtest auch du dein inneres Kind kennenlernen? Buche einen kostenlosen und unverbindlichen Kennenlerntermin und ich zeige dir, wie du dich mit ihm vertraut machst!

Dominique-Raymond-Rychner-Life-und-Business-Coach-Zuerich

Über den Autor

Dominique Raymond Rychner ist CEO und Partner bei einer international tätigen Wirtschaftsboutique sowie systemischer Transformationscoach. Er ist Vater von zwei Teenagern, glücklich geschieden und bietet Live- oder Online-Coachings, Kurse und Seminare für Männer, Frauen, Paare, Familien und Unternehmen im Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung sowie der Stärkung der Finanzintelligenz an. Er bringt über 25 Jahre Erfahrung in Beratung und Training mit. Das Credo seiner Arbeit lautet: "Lebe moneysmart und beziehungsweise – für ein Leben voller Selbstbestimmung und Freiheit."

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