Dein Bindungsstil entwickelst du in deiner Kindheit. Und genau diese Blaupause beeinflusst noch Jahrzehnte später, ob du in deiner Beziehung glücklich bist – oder auch nicht.

Suchen wir sie nicht fast alle? Die grosse Liebe. Manche finden sie. Manche suchen sie ein Leben lang– und finden sie dennoch nicht. Sie glauben, sie hätten einfach Pech in der Liebe. Hinter immer wieder scheiternden Beziehungen kann aber auch etwas anderes stecken: Bindungsangst. Typische Anzeichen: Man zieht sich immer dann zurück, wenn die Beziehung enger, intimer, verbindlicher wird. Oder man findet andere nur anziehend, wenn man sie nicht «haben» kann, zum Beispiel, weil sie verheiratet sind oder kein Interesse an einem haben.

Wie der Bindungsstil trennt und zusammenhält

Aus der modernen Bindungstheorie weiss man heute, dass Kinder in den ersten Lebensjahren ein mentales Arbeitsmodell für Beziehungen entwickeln. So entfalten Kinder vor allem dann eine sichere Bindung, wenn die Eltern schnell, verlässlich und angemessen auf ihre Bedürfnisse reagieren, beispielsweise indem sie sie innerhalb weniger Sekunden trösten, wenn es schreit. Eine unsichere Bindung entsteht dann, wenn sich die Eltern eher gleichgültig verhalten, nicht ausreichend auf das Kind eingehen oder wenn sie das Kind überbehüten, so dass es sich nicht selbstständig entwickeln kann. Auch belastende Erfahrungen wie der frühe Verlust von Vater oder Mutter können ihre Spuren hinterlassen.

Wie hängen aber Bindungserfahrungen der Kindheit mit den Beziehungen im Erwachsenenalter zusammen?

Erst in den 1980er Jahren übertrugen Bindungsforscher die kindlichen Bindungsstile auf Beziehungsmuster zwischen Erwachsenen. Die Grundidee: Erleben Kinder ihre Bezugspersonen nicht als warm und verlässlich, kann sich das auf ihre Beziehungen im weiteren Leben auswirken. Wie hängen aber Bindungserfahrungen der Kindheit mit den Beziehungen im Erwachsenenalter zusammen? Meist fühlen sich Menschen mit einem sicheren Bindungsstil in «nahen» Beziehungen wohl und haben Vertrauen. Eine unsichere Bindung hingegen kann bei manchen zu einem ängstlichen, Nähe suchenden oder klammernden Verhalten führen, währenddem bei anderen eher ein Fluchtimpuls auf zu viel Nähe einsetzt. Solche «Näheflüchter» halten den Partner eher auf Distanz und betonen die Eigenständigkeit in der Beziehung. Im Prinzip haben sie ihr Bindungssystem aus Selbstschutz deaktiviert. Ihr Motto: Ich brauche niemanden. Einige bleiben dann tatsächlich ein Leben lang Single.

Studien zeigen, dass Paare häufig in zwei Konstellationen zusammenfinden: Entweder weisen beide ein sicheres Bindungsverhalten auf – sie machen rund 50 Prozent der Paare aus. Oder beide sind unsicher gebunden, wobei es sich meist um eine vermeidende und eine ängstliche Person handelt. Diese Paare sind oft in einem Teufelskreis gefangen: Je mehr eine Person die Nähe sucht, desto mehr weicht die andere aus, und umgekehrt. Trotzdem bilden sich aus diesem Ungleichgewicht heraus häufig stabile Bande. So führen vermeidende Menschen und ängstliche Personen die stabilsten Beziehungen – obwohl sie nicht sonderlich zufrieden waren. Als zufriedenstellender, aber weniger dauerhaft erwiesen sich die Partnerschaften zwischen sicher gebundenen Menschen.

Stabil, unzufrieden aber wenigstens nicht alleine

Eine stabile Partnerschaft bedeutet also nicht zwangsläufig, dass die Beteiligten glücklich sind. Eigentlich ein Grund, um gegebenenfalls über eine Trennung nachzudenken – doch viele wollen nicht allein sein. Deshalb raten Paartherapeuten nur bedingt zu einer Trennung, es sei dann, wenn Alkohol, andere Süchte, krankhafter Narzissmus oder Gewalt im Spiel sind. Ist dies nicht der Fall, laute die wichtigste Frage: Ist das Leben als Single für mich wirklich die bessere Wahl?

Wann ist eine Partnerschaft eher von Dauer?

Andere Bindungsforscher haben untersucht, wann eine Partnerschaft von Dauer ist. Dabei stellten sie fest, dass schon der Beginn einer Partnerschaft auf den weiteren Verlauf schliessen liess: Nach einem unglücklichen Start wurden die Paare meistens noch unglücklicher und trennten sich schneller wieder. Die beste Prognose hatten Partner mit einem ähnlich starken Wunsch nach Nähe – in dem Sinn, dass sie einander gleichermassen Freiheiten zugestanden und eigene Interessen verfolgten. Die Pärchen blieben eher zusammen, wenn es ihnen gelang, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Bindungsnähe und Autonomie herzustellen.

Eine sich selbst erfüllende Prophezeihung?

Mit Bindungsangst fällt das schwerer. Meist eine selbsterfüllende Prophezeiung: Eine ängstliche Person sucht sich oft jemanden, der ihre negativen Erfahrungen bestätigt. Das richtige Mass an Nähe und Distanz zu finden, ist für die Betroffenen äusserst anstrengend. Sie erwarteten bereits vor einer Beziehung, dass es nicht klappt, weil sie sich selbst nicht liebenswert finden.

Wie du deine Bindungsangst angehst

Um diese Ängste zu überwinden, brauche es die innere Gewissheit, liebenswert zu sein – notfalls auch ohne Partner. Dazu benötigt man ein gesundes Selbstwertgefühl, und genau daran fehlt es oft Menschen mit unsicherem Bindungsstil. Daher liessen sich unsicher Gebundene oft viel zu schnell auf Beziehungen ein. Sie versuchen dabei, emotionale Bindung beispielsweise über Sexualität herzustellen. Nach dem Motto: Wenn ich guten Sex gebe, werde ich geliebt, und der Partner bleibt bei mir. Enttäuschungen sind dann an der Tagesordnung. Gerade Ängstlichen sei deshalb empfohlen, genau abzuwägen, mit wem sie sich einlassen. Sie sollten mit Bedacht wählen, sich sexuell etwas rarmachen und die emotionale Tragfähigkeit der Beziehung sorgfältig prüfen. Nur so können sie spüren lernen, ob sie jemandem wirklich etwas bedeuten.

Die Bedeutung eines gesunden Selbstwertgefühls

Unsichere Bindungen und ein schwaches Selbstwertgefühl gehen oft Hand in Hand. So scheuen unsichere Menschen auch eher Konfrontationen: Sie sagen lieber zu allem Ja – aus Angst, den anderen zu verlieren. Menschen mit stabilem Selbstbewusstsein und sicherem Bindungsstil überstehen eine Trennung in der Regel besser. Eine Scheidung fordert unser Selbstwertgefühl stark heraus. Sicher gebundene Menschen können diesen Schmerz und Verlust schneller regulieren. Die Unsicheren bleiben länger verletzt und tragen weiterhin Konflikte mit dem Expartner aus.

 

Trennungen und andere Traumata könnten sich auch im Erwachsenenalter noch auf den Bindungsstil auswirken. Er ist zwar stabil, jedoch nicht für immer festgeschrieben. Aber er kann sich verändern, auch zum Positiven. Etwa, wenn eine Person mit einem ängstlich-ambivalenten Bindungsstil über viele Jahre in einer sicheren und guten Beziehung lebt: Dann könne die neue Erfahrung den alten Bindungsstil «überschreiben».

 

Bindung und Autonomie schliessen sich nicht aus

Die Ausgestaltung unserer Bindungsstils ist meist stark durch die frühkindliche Befriedigung oder eben nicht Befriedigung unseres Bindungs- und Autonomiebedürfnisses bestimmt. Je nachdem entwickeln wir einen sicheren oder unsicheren Bindungsstil. Diese Bindungs-Blaupause wirkt weit bis ins Erwachsenenleben hinein und beeinflusst unser Beziehungsmuster. Blicken wir erst mal hinter unsere eigene Kulisse und verstehen, woher möglicherweise unsere Beziehungsangst herkommt, können wir uns auch damit auseinandersetzten. Und schaffen damit auch Verständnis bei unserem Gegenüber.

 

Hast du dich im einen oder anderen Bindungsstil erkannt? Glaube mir, eine glückliche Bindung und Autonomie in einer Partnerschaft sind möglich. Gerne unterstütze ich dich auf deinem Weg zu einer glücklichen, erfüllenden Partnerschaft.

Dominique-Raymond-Rychner-Life-und-Business-Coach-Zuerich

Über den Autor

Dominique Raymond Rychner ist CEO und Partner bei einer international tätigen Wirtschaftsboutique sowie systemischer Transformationscoach. Er ist Vater von zwei Teenagern, glücklich geschieden und bietet Live- oder Online-Coachings, Kurse und Seminare für Männer, Frauen, Paare, Familien und Unternehmen im Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung sowie der Stärkung der Finanzintelligenz an. Er bringt über 25 Jahre Erfahrung in Beratung und Training mit. Das Credo seiner Arbeit lautet: "Lebe moneysmart und beziehungsweise – für ein Leben voller Selbstbestimmung und Freiheit."

Beitrag teilen, Plattform wählen:

Weitere Beiträge:

Bindungsangst

Weiterlesen

Hinterlassen Sie einen Kommentar