Das Innere Kind im Spiegel der Paarbeziehung

Viele Menschen wollen in einer Beziehung regelrecht mit dem Partner verschmelzen. Der Grund liegt in der Kindheit. Wer Enttäuschungen vermeiden und einen gesunden Mix von Autonomie und Bindung leben möchte, tut gut daran, sich mit seinem Inneren Kind zu beschäftigen und sich nach Möglichkeit mit seinem Inneren Kind zu versöhnen.

Kennst du das? Du spürst den innigen Wunsch nach einer erfüllten, glücklichen Beziehung. Du willst mit einem Menschen ganz verschmelzen. Du möchtest für jemanden wirklich wertvoll und etwas ganz Besonderes sein. Und dann kommt die grosse Enttäuschung, weil sich dein Partner ganz anders verhält, als er es dir versprochen hat. Verletzt oder verlässt er dich, fühlst du dich erst recht unverstanden.

Das ist der Zeitpunkt, an dem du mit deinem inneren Kind in Kontakt kommst. Es steht noch immer allein in der Ecke. Mit einer grossen, unerfüllten Sehnsucht nach Anerkennung, Liebe und dem Gefühl, ganz gesehen und verstanden zu werden. Dabei steht das Innere Kind metaphorisch dafür, dass jeder Mensch – sowohl positiv als auch negativ – stark von seiner Kindheit geprägt ist.

Der Schlüssel liegt in der Kindheit

Das Innere Kind symbolisiert die in uns gespeicherten Erinnerungen, Erfahrungen und Gefühle aus der Kindheit. Diese Erinnerungen, Erfahrungen und Gefühle wirken bis in unser Erwachsenenleben hinein. Der Kontakt mit dem Inneren Kind gibt dir die Möglichkeit, deine Beziehungsmuster anzuschauen, zu verändern und alte Gefühle und Wunden zu heilen. Aber auch mit den starken Seiten des Kindes zu spielen: Abenteuer zu erleben, dich hemmungslos und übermütig auszudrücken und dich von der Magie des Lebens verzaubern zu lassen.

Die meisten Themen rund um Liebe und Partnerschaft haben ihre Wurzeln in unserer Kindheit, in unserer Herkunftsfamilie. Wir knüpfen an das an, was wir in unseren Familien und von unseren Vorbildern gelernt haben. Aber auch von uns selbst. Von den Verhaltensmustern, die wir als Kind entwickeln mussten, um Anerkennung, Aufmerksamkeit und vielleicht auch Liebe zu empfangen. Das Bedürfnis nach Bindung, das wir aus unserer Kindheit in unser Erwachsenenleben mitgenommen haben, wird oft zu einer Falle und zur Ursache für Enttäuschungen.

Der Wunsch nach Verschmelzung

Die anfängliche Verliebtheit ist eine symbiotische Phase, die uns die Illusion vermittelt, mit dem Partner zu verschmelzen. Damit verbunden ist die Erwartung, dass dieser Mensch endlich alle unsere bisher unerfüllten Wünsche und Bedürfnisse erfüllt. Dazu gehören vor allem der Wunsch, nicht mehr allein zu sein, geliebt zu werden und für einen Menschen besonders wertvoll zu sein. Oder sogar der wichtigste Mensch für jemanden zu sein. Letztlich ist es die kindliche Sehnsucht nach Verschmelzung mit der Mutter, die jeder einmal erlebt hat und die in dieser Phase auf den Partner projiziert wird.

Alles, was der Verschmelzung dient, wird gesucht und gefördert: gemeinsames Bankkonto, gemeinsame Ferien, gemeinsame Freizeit, gemeinsame Freunde, gemeinsames Haus, gemeinsame Hobbys, gemeinsame Kinder, gemeinsame Spiritualität. Und so weiter und so fort. Die Beziehungspartner verschmelzen oftmals so sehr miteinander, dass sich der eine Partner ganz für den anderen aufgibt oder sich in der Beziehung verliert. Die eigene Identität wird für die gemeinsame Identität aufgegeben. Damit wollen wir zum Zustand der Verschmelzung zurückkehren, den wir in den ersten Monaten unseres Lebens erfahren haben. Da die meisten Menschen in der Kindheit nicht genug von dieser Verschmelzung bekommen haben oder diese aus unterschiedlichen Gründen gestört wurde, bleibt ein Vakuum, eine Sehnsucht, dieses Bedürfnis zu stillen. Und genau das versuchen wir dann in unseren Beziehungen.

Nähe und Distanz

Für eine gesunde Paarbeziehung brauchen wir sowohl Autonomie als auch Bindung. Wenn wir von der Verschmelzung satt sind, drängen wir zur Autonomie, zur Freiheit. Es ist wie das Kommen und Gehen des Kindes. Nähe und Distanz. Das ist der Tanz, den wir in jeder Liebesbeziehung tanzen – und der häufig ziemlich aus dem Takt gerät. Die Ursache liegt in der kindlichen Entwicklung, die damals nicht gelingen konnte, beziehungsweise gestört wurde. Nun versuchen wir, die Lösung für diesen Konflikt in der Partnerschaft zu finden. Meistens scheitern wir, weil wir nicht wissen, woher der Konflikt kommt.

Daher haben auch viele Menschen Angst, sich auf eine intime Partnerschaft einzulassen. Denn in einer Partnerschaft wird eine Überzeugung aktiviert. Und die heisst: «Wenn ich mich einlasse, muss ich meine Freiheit aufgeben. Will ich meine Freiheit, bekomme ich keine Liebe, beziehungsweise, ich verliere meine Liebesbeziehung». Hier ist die natürliche Selbstregulation von Autonomie und Verschmelzung gestört. Entweder schafft man abhängige Beziehungen oder man bleibt Single und unabhängig.

Sich klein und abhängig fühlen

Das innere Strahlen, das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen weicht in Beziehungen oftmals dem Empfinden, abhängig und klein zu sein. In diesem Fall beginnen die Beziehungspartner nur noch zu funktionieren und Rollen zu spielen. Beide setzen alles daran, ihre Beziehung irgendwie zu erhalten. Anstrengungen und Kämpfe bis zur Erschöpfung sind an der Tagesordnung.

Geben wir in einer Beziehung das Bemühen um den anderen auf, kommen wir in Kontakt mit einem sehr tiefen Gefühl: der Angst, den Partner zu verlieren. Viele Frauen und Männer kennen die Anstrengung, dem Partner alles recht zu machen. Das Bedürfnis, für Harmonie und Wohlsein zu sorgen und die Beziehung zusammenhalten zu wollen. Mit diesem Verhalten kommen wir mit unserer kindlichen Angst in Kontakt, das «Nest» der Familie zu verlieren.

Prägungen aus der Kindheit wirken lange

Der Entwicklungsprozess des Inneren Kindes kann direkt auf die Paarbeziehung übertragen werden: In jeder verbindlichen Paarbeziehung wird die Kindheitserinnerung reaktiviert, die uns mit der frühkindlichen Hoffnung nach Verschmelzung und der Angst vor Autonomie, Trennung und Alleinsein in Kontakt bringt. Jeder von uns trägt verletzte Teile in sich, von denen die meisten verletzte Innere Kinder sind. Unsere «Inneren Kinder» sind Persönlichkeitsanteile, die wir aufgrund von schmerzhaften Erfahrungen abgespalten haben. Als Folge der Abspaltung blieben sie in ihrer emotionalen Entwicklung stecken und konnten nicht weiterwachsen.

Die Erinnerungen, die das Kind erschaffen hat, sind Fähigkeiten und Verhaltensweisen, um schmerzvolle Entwicklungsphasen und Erfahrungen zu bewältigen. Wenn du emotional oder verbal «automatisch» reagierst, bist du als Erwachsener in der Regel im «Inneren-Kind-Modus». Das Problem dabei ist, dass dieses in der Zeit stehengebliebene Kind weiterhin ungewollte Zustände erschafft. Das heisst: Gedanken, Gefühle, Emotionen und Verhaltensstrategien, die in der gegenwärtigen Situation unangemessen sind und nicht mehr funktionieren. Kontakt zum Inneren Kind herzustellen, bedeutet demnach, Kontakt zu unseren Gefühlen herzustellen. Vor allem zu unseren verletzten Gefühlen, die geheilt werden müssen.

Das Innere Kind schafft Probleme

Wenn du Verallgemeinerungen von dir gibst: «Alle Frauen sind …». «Immer machst du …». Oder wenn du automatisch und auf «Knopfdruck» reagierst, weisst du, dass du es mit einer Prägung aus der Kindheit zu tun hast. Die Prägungen, das heisst die Überzeugungen, Gedanken und Strategien, verzerren deine Sichtweise und deine Wahrnehmung und schränken dich in deiner Aufmerksamkeit, in deiner Wahlmöglichkeit und in deiner Handlungsfähigkeit ein.

Da wir durch die Kindheitserinnerung eher in der Vergangenheit als in der Gegenwart leben, handeln wir uns eine Menge Probleme ein: Die Kindheitserinnerung wird am stärksten in familienähnlichen Beziehungen, in Liebesbeziehungen und in Partnerschaften aktiviert. Dann tritt das innere Kind mit dem Erwachsenen aus seiner Vergangenheit (Vater oder Mutter) in Kontakt; und nicht mit dem Erwachsenen der Gegenwart, dem Partner.

Schritte zur Annäherung

Der erste Schritt ist immer das liebevolle Annehmen der eigenen kindlichen Seite – das Umarmen des Inneren Kindes mit all seinen – meist ungeliebten – Gefühlen. Vielleicht zeigt sich dein Inneres Kind sehr ängstlich, schamhaft, schüchtern, trotzig, verletzt oder zurückgezogen. So möchte sich verständlicherweise niemand fühlen. Die Rückkehr zum kleinen Mädchen oder zum kleinen Jungen und die Annahme des inneren Kindes mit diesen Seiten, für die es von Vater oder Mutter abgelehnt wurde, sorgt für Heilung. Es kann seine Strategien loslassen und sich mit den lichtvollen essenziellen Qualitäten zeigen, nach denen wir uns sehnen: Lebendigkeit, Lebensfreude, Leichtigkeit, Spiel, Unschuld und Vertrauen.

Möchtest du dein Inneres Kind kennenlernen? Ich biete zusammen mit Monika Zemp regelmässig systemische Aufstellungen zum Inneren Kind an. Die Aufstellungen sind oftmals Teil einer systemischen, schematischen und psychologischen Begleitung, können aber auch einzeln gebucht werden. In diesem Fall empfehle ich dir ein Vorgespräch, in dem wir dein Anliegen herausarbeiten und mittels Genogramm erste Hinweise auf allfällige Verstrickungen sichtbar machen. Die Arbeit mit dem Inneren Kind und den autoritären Stimmen ist für mich systemisch für ein selbstbestimmtes, glückliches Leben unerlässlich. Auch für ein effektives Schema-Coaching ist die Arbeit mit dem Inneren Kind von zentraler Bedeutung. Vereinbare deinen Termin gleich jetzt.

Dominique-Raymond-Rychner-Life-und-Business-Coach-Zuerich

Über den Autor

Dominique Raymond Rychner ist CEO und Partner bei einer international tätigen Wirtschaftsboutique sowie systemischer Transformationscoach. Er ist Vater von zwei Teenagern, glücklich geschieden und bietet Live- oder Online-Coachings, Kurse und Seminare für Männer, Frauen, Paare, Familien und Unternehmen im Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung sowie der Stärkung der Finanzintelligenz an. Er bringt über 25 Jahre Erfahrung in Beratung und Training mit. Das Credo seiner Arbeit lautet: "Lebe moneysmart und beziehungsweise – für ein Leben voller Selbstbestimmung und Freiheit."

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